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Wahrnehmung

Wahrnehmung bezeichnet ursprünglich die Summe der Schritte Aufnahme, Auswahl, Verarbeitung (zum Beispiel Abgleich mit Vorwissen) und Interpretation von sensorischen Informationen – und zwar nur jener Auskünfte, die der Anpassung des Wahrnehmenden an die Umwelt dienen oder ihm eine Rückmeldung über Auswirkungen seines Verhaltens geben.

Nach dieser Auslegung sind ursprünglich nicht alle Sinnesreize Wahrnehmungen, sondern nur diejenigen, die kognitiv benutzt werden und der grundlegenden Orientierung dienen. Wahrnehmung ermöglicht sinnvolles Handeln und, bei höheren Lebewesen, die Entstehung von mentalen Modellen des Wirkungsbereichs und dadurch antizipatorisches und planerisches Denken. Wahrnehmung ist eine Grundlage von Lernprozessen. Neuere neurologische Studien zeigen jedoch, dass nicht nur die kognitiv registrierte, also die Wahrnehmung des Bewussten, sondern auch die Wahrnehmung des Unbewussten Einfluss auf unser Denken, Fühlen und (erfolgreiches) Handeln hat. Denn auch wenn wir etwas nicht bewusst willentlich wahrnehmen, so nehmen wir doch unbewusst viele Informationen auf. Diese Erkenntnisse werden vor allem in der Werbepsychologie angewendet, um so Produkte im Unterbewusstsein des potenziellen Käufers zu platzieren und Kaufimpulse auszulösen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der Extero- und der Interozeption. Exterozeption charakterisiert allgemein die Wahrnehmung der Außenwelt und bezieht sich auf die fünf Sinne Riechen, Sehen, Hören, Schmecken und Fühlen. Interozeption ist der Überbegriff für diejenigen Komponenten der Wahrnehmung, die Informationen aus einzelnen Körperabschnitten und über eigene Körperabschnitte erfassen. Dabei unterscheidet man Propriozeption (Sinneseindruck von Körperlage und -bewegung im Raum) und Viszerozeption (Empfinden von Organtätigkeiten).

Der Mensch verfügt über folgende Sinneswahrnehmungen (die Fachliteratur spricht auch von Sinneskanälen):

Visuelle Wahrnehmung, auch Gesichtssinn oder Sehen: dient der Wahrnehmung von visuellen Reizen wie Helligkeit, Farbe, Kontrast, Linien, Form und Gestalt, Bewegung und Räumlichkeit (Position, Entfernung). Das zuständige Sinnesorgan ist das Auge. Besonders in künstlerischem Kontext bezeichnet man ein wahrgenommenes Bild oder eine Szene als Sehereignis.

Auditive Wahrnehmung oder akustische Wahrnehmung, auch Gehörsinn, Gehör oder Hören: dient der Wahrnehmung von Schall, also Geräuschen, Tönen und Klängen. Das zuständige Sinnesorgan ist das Ohr. Sehr laute Schallereignisse werden jedoch mit dem ganzen Körper, insbesondere durch den Tastsinn, wahrgenommen. Sehr niederfrequente Schallereignisse werden ebenfalls mit anderen Organen als dem Ohr wahrgenommen. Im Kontext der Psychoakustik wird ein wahrgenommenes Schallereignis Hörereignis genannt, dessen Richtung und Entfernung durch Richtungshören und Entfernungshören bestimmt werden.

Vestibuläre Wahrnehmung, auch Gleichgewichtssinn: Dient der Wahrnehmung von Lageveränderungen im Verhältnis zu einem Schwerefeld zur Wahrung des Gleichgewichts und der Kontrolle von Bewegungen, zusammen mit Augen und Muskelsinn. Das zuständige Sinnesorgan ist das Gleichgewichtsorgan im Innenohr, das aufgrund seiner Lage dem Gehörsinn zugeordnet wird.

Sensibilität, auch als Tastsinn und Kinästhetik bzw. Gefühl oder Fühlen bezeichnet: dient der Wahrnehmung von (körperlichen) Gefühlen wie beispielsweise Berührung, Härte oder Hitze. Zuständig für diese Sinneswahrnehmung ist die Gesamtheit aller Tast-, Wärme- und Kälterezeptoren, die in den folgenden Untersystemen angeordnet sind:

  • Tiefensensibilität: dient dem Empfinden der Stellung der Körperglieder zueinander und damit der Körperhaltung. Anstatt eines einzelnen Organs ist eine Vielzahl von Rezeptoren in Gelenken, Muskeln und Sehnen für die Reizaufnahme ausschlaggebend. Zu diesem System wird außerdem die propriozeptive Wahrnehmung gerechnet, die die Wahrnehmungen der individuellen Organe einschließt.
  • Taktile Wahrnehmung: dient der Wahrnehmung von Druck, Berührung und Vibrationen sowie der Temperatur. Das ausschlaggebende Sinnesorgan ist die Haut mit ihren Tast-, Wärme- und Kälterezeptoren.

Olfaktorische Wahrnehmung, auch Geruchssinn oder Riechen: dient der Wahrnehmung von Riech- und Duftstoffen. Das verantwortliche Organ ist die Nase, besser gesagt deren Riechschleimhaut. Geruchswahrnehmungen werden im Gedächtnis besonders stark mit Emotionen verknüpft und assoziiert.

Gustatorische Wahrnehmung, auch Geschmack oder Schmecken: dient der Wahrnehmung von Beschaffenheit und chemischen Qualitäten der Nahrung. Das ausschlaggebende Sinnesorgan ist die Zunge mit ihren Geschmacksknospen.

Die Einbeziehung und Unterscheidung der einzelnen Sinneskanäle ist ein entscheidendes Element im mentalen Training. Wie bereits verdeutlicht, findet mentales Training im kognitiven Bereich statt, also denkend im Körperteil Gehirn. Das Gehirn ist auch der Ort, an dem Bewusstsein und Unterbewusstsein Informationen abspeichern. Somit finden mentales Training und Wahrnehmung eng nebeneinander im gleichen Köperteil statt. Das Gehirn speichert Informationen ab, die wir über diese Sinneskanäle wahrnehmen. Dieses Abspeichern ist ein existenzieller Lernvorgang – wir lernen zum Beispiel, dass ein Ofen heiß ist, vermeiden damit Verbrennungen und können sogar zukünftig andere Öfen erkennen.

Abgespeichert werden sinnesspezifische Eindrücke aller Kanäle: Je nach Situation speichern wir visuelle, auditive, kinästhetische, olfaktorische und gustatorische Kriterien im Gehirn bzw. im Gedächtnis ab. Die Gesamtheit dieser Eindrücke wird innere Repräsentation genannt. Die Qualität meiner inneren Repräsentation einer Situation bestimmt, wie ich dann auf der kognitiven Ebene darüber denke.

Malt sich demzufolge ein Sportler eine zukünftige Wettkampfsituation als bedrohlich aus, wird er wenig motiviert sein, eine gute Leistung zu bringen. Das Wahrnehmen des Wortes Wettkampf führt denjenigen, der es hört – in diesem Beispiel den Sportler –automatisch zu einer inneren Repräsentation. Es wird innerlich wortwörtlich ein Bild zu dem Wort „Wettkampf“ gemalt bzw. assoziiert. So kann ein bedrohliches Bild zum Beispiel so aussehen, dass er trübes Wetter und dunkle Wolken innerlich wahrnimmt oder den Gegner größer visualisiert, als er eigentlich ist (visuell); oder er nimmt in seiner Repräsentation dieser künftigen Situation Buh-Rufe oder Ermahnungen, Kritikpunkte oder Warnungen des Trainers wahr (auditiv).

Gemäß dem Zusammenhang von Emotion (Gefühl) und Kognition (Denken, Erinnerung, Sprache) – der auch Embodiment genannt wird – wissen wir bereits, dass unser Verhalten von dieser Wechselwirkung abhängt. Repräsentationen sind nicht nur Erinnerungen – im mentalen Training sind vor allem die Repräsentationen wichtig, die ein Sportler von kommenden Situationen hat. Diese sollte er sich individuell als positiv und angenehm visualisieren. So wäre es für den hier gemeinten Sportler sinnvoller, sich ein Bild zu dem Begriff Wettkampf zu assoziieren, in dem das Wetter schön ist (visuell), er motivierende Rufe des Trainers oder Publikums wahrnimmt (auditiv), in dem er sich gut und stark fühlt (kinästhetisch) und erfolgreich handelt (Selbstwahrnehmung). Und genau das hat André Agassi erwähnte 10.000 Mal getan vor seinem Wimbledon-Sieg.

Beispiel

Fußballnationalspieler Philipp Lahm berichtet in seiner Biografie, dass ihn die kognitive Erinnerung an den Schweißgeruch in den Umkleidekabinen seiner Jugendzeit vor wichtigen Profispielen blitzschnell in einen guten emotionalen Zustand katapultiert.

Erkenntnis: Jeder Mensch hat aufgrund der biologischen Sinneswahrnehmung unwillkürlich innere Bilder. Vergangene Bilder (respektive Repräsentationen) beeinflussen seine Gegenwart und Zukunft.

Darüber hinaus kennt die Psychologie (speziell die Kommunikationspsychologie) die Begriffe der Selbst- und Fremdwahrnehmung, wobei erstere die Gewissheiten darstellt, die wir von uns selbst beziehungsweise unserem Empfinden und Verhalten haben, während Fremdwahrnehmung die Eindrücke und Einblicke bezeichnet, die andere von uns gewinnen. Wenn diese Wahrnehmungen nicht zumindest ansatzweise deckungsgleich sind, kann dies zu Problemen im Aufbau der eigenen Identität und in der zwischenmenschlichen Kommunikation führen. Auch für Sportler ist die Fremdwahrnehmung regelmäßig mit der Selbstwahrnehmung abzugleichen: Findet der Trainer (oder das Publikum, der Mannschaftskollege) mich genauso kompetent wie ich mich selbst?

 

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